Abstimmungen

Ist die Zentralschweiz gegen den Ausbau von Solar- und Windenergie?

Jan Fedeli, 4. März 2024, 19:00 Uhr
Projekte für erneuerbare Energien haben in der Zentralschweiz einen schweren Stand.
© PilatusToday
Am Wahlsonntag setzten die Bevölkerungen von Oberiberg und Rickenbach (Luzern) Zeichen gegen zwei Projekte für erneuerbare Energien. Es sind nicht die ersten Fälle im Pilatusland. Hat die Zentralschweizer Bevölkerung ein Problem mit erneuerbaren Energien?

Ein zurückgezogenes Projekt für eine alpine Photovoltaikanlage auf der Melchsee-Frutt, sistierte Projekte für erneuerbare Energien in Nidwalden und nun eine abgelehnte Photovoltaikanlage in Oberiberg und ein Zeichen gegen Windenergie im Luzernerischen Rickenbach: Projekte für erneuerbare Energien haben es nicht einfach in der Zentralschweiz. PilatusToday und Tele 1 haben in Oberiberg und Rickenbach im Kanton Luzern nach den Gründen für die Ablehnung gefragt.

11 Stimmen entscheiden über «Alpin Solar Ybrig»

Am Ende machten 11 Stimmen den Unterschied aus. Die Vorlage «Alpin Solar Ybrig» scheiterte am Wahlsonntag in Oberiberg äusserst knapp an der Urne. Auf bestehen­den 10 Hektar Wei­de­land im Gebiet der Rog­gen­egg sollte auf rund 1600 Metern über Meer eine alpine Solaranlage gebaut werden.

Damit ist das vom Elektrizitätswerk Schwyz und der Axpo geplante Projekt vorerst vom Tisch. Walter Marty-Schuler, der Gemeindepräsident von Oberiberg erklärt das Resultat gegenüber PilatusToday und Tele 1 mit dem grossen Eingriff in die Landschaft:

Vereinzelt seien auch Stimmen laut geworden, dass die finanzielle Entschädigung für die Gemeinde zu klein gewesen wäre. Der Gemeinderat stand hinter dem Projekt: «Wir wollten einen Beitrag für den Ausbau der erneuerbaren Energien leisten.» Dabei wollte man auch eine Pionierfunktion im Kanton Schwyz einnehmen.

Das knappe Resultat gegen das Projekt erklärt sich Marty mit dem grossen Engagement der Bauern. Das im Vorfeld verteilte Flugblatt der Bauern hätte grosse Wirkung in der Bevölkerung gehabt. Mehrere Landwirte befürchteten, dass sie bei einer Annahme ihr Land abtreten müssten.

Die Gegner von «Alpin Solar Ybrig» freuen sich über das Resultat

Quelle: Tele 1

Viele Projekte scheitern am Zeitdruck

Marty sieht den Hauptgrund für die Ablehnung vieler Projekte für erneuerbare Energien beim grossen Zeitdruck: «Man kann oft nicht sauber abklären, was auf die Bürger und Pächter zukommt. Man macht sehr schnell vorwärts, um die Bundessubventionen erhalten zu können.» Mit dem neuen Energiegesetz erhalten alpine Photovoltaikanlagen bis zu 60 Prozent Vergütung, wenn sie bis Ende 2025 mindestens zehn Prozent der geplanten Gesamtleistung ins Stromnetz einspeisen.

In Oberiberg ist Solarenenergie aus alpinen Photovoltaikanlagen gemäss Gemeindepräsident Walter Marty-Schuler vorerst vom Tisch: «Wir sehen fast keine andere Möglichkeit mehr, der Solarexpress ist nicht mehr realisierbar.»

Das Energieunternehmen EWS zur verlorenen Abstimmung

Quelle: Tele 1/Juan Riande

Rickenbach: Stimmvolk ist gegen Windräder auf dem Gemeindegebiet

In Rickenbach (Luzern) hat das Stimmvolk die Teilrevision der Ortsplanung angenommen. Hauptbestandteil der Teilrevision ist die Forderung, dass der Luzerner Stierenberg an der Kantonsgrenze zum Aargau von Windkraftanlagen freigehalten wird.

Initiantin und Mitte-Nationalrätin Priska Wismer-Felder nimmt das Abstimmungsresultat ernüchtert zur Kenntnis: «Es ist eine grosse Enttäuschung.» Mit der in der Teilrevision enthaltenen Schutzzone auf dem Stierenberg möchte die lokale Gegnerschaft die von Wismer-Felder und weiteren Anwohnenden geplanten Windenergieanlagen verhindern. Trotz dem deutlichen Resultat gibt sich die Initiantin kämpferisch: «Ich werde mich weiterhin darum bemühen, dass Windenergie ihren Teil zur Energiestrategie beitragen kann»

«Noch nicht über konkrete Projekte abgestimmt»

Die Annahme der Teilrevision und der darin enthaltenen neuen Schutz- und Erholungszone sei zwar ein Zeichen gegen Windenergie, aber die Bevölkerung hatte noch nie die Gelegenheit, über das konkrete Projekt Windenergie Stierenberg abzustimmen. Über die drei geplanten Windenergieanlagen auf dem Stierenberg müsste die Bevölkerung gemäss der Nationalrätin in einer separaten Abstimmung befinden. «Bei der gestrigen Abstimmung ging es rein darum, ein Zeichen gegen Windenergie zu setzen.»

Ob das Anliegen tatsächlich realisiert wird, ist derzeit noch unklar. Denn gemäss dem Gemeinderat besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die Teilrevision vom Kanton Luzern für ungültig erklärt wird. Zur Teilrevision der Ortsplanung kam es, weil die Stimmberechtigten im November 2021 mit einem Ja-Stimmenanteil von 55 Prozent die Gemeindeinitiative «Erhaltet den Stierenberg - keine Windkraftanlagen auf unserem Hausberg» gutgeheissen hatten. Sie forderten damit rechtliche Grundlagen im Bau- und Zonenreglement, damit der Luzerner Stierenberg an der Kantonsgrenze zu Aargau von Windkraftanlagen freigehalten wird.

Kanton Luzern entscheidet über Gültigkeit von Revision

Adrian Häfeli, Gemeindepräsident von Rickenbach, sagt gegenüber PilatusToday und Tele 1: «Der Gemeinderat von Rickenbach hat die Teilrevision zur Ablehnung empfohlen.» Trotzdem habe sich das Resultat in den vergangenen Tagen abgezeichnet.

Der Gemeinderat nimmt den Entscheid der Stimmberechtigten auf und reicht die Teilrevision nun beim Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement (BUWD) des Kantons Luzern ein. Grosse Chancen räumt er der Vorlage aber nicht ein: «Die Chancen sind eher klein, weil das BUWD die Revision aufgrund des Verbotes von Windkraftanlagen auf dem Stierenberg bereits in der Vorprüfung zur Ablehnung empfohlen hat. Dabei nimmt das Departement eine Interessensabwägung vor.»

Denn gleichzeitig laufe auch ein separates Verfahren zur Einzonung des Gebietes in eine Sonderzone für Windenergie: «Die Gegenläufigkeit der beiden Verfahren ist auch der Grund, weshalb sich der Gemeinderat gegen die Teilrevision zur Schutzzone ausgesprochen hat.»

Erklärt das Departement die Revision für rechtswidrig, wird die Revision für ungültig erklärt. Der Gemeinderat von Rickenbach wartet nun auf den Entscheid der Luzerner Kantonsregierung. Windenergieanlagen sind in Rickenbach also trotz allem noch nicht vollständig vom Tisch.

Gegner von Windprojekt: «Wir fassen das Resultat positiv auf.»

«Die Stimmbürger von Rickenbach haben zum zweiten Mal ein deutliches Ja in die Urne gelegt und somit ein klares Zeichen gegen den geplanten Windpark gesetzt.», freut sich Pirmin Kammermann von der Gruppierung Mullwiler Gegenwind gegenüber PilatusToday und Tele 1 über das Resultat.

Die Widerstands-Gruppe besteht aus drei Anwohnenden am Stierenberg, welche sich seit mehreren Jahren gegen den geplanten Windpark einsetzen. Sie sehen in der Anlage einen massiven Einschnitt in die Natur und haben Bedenken aufgrund des Schattenwurfes und des Infraschalls der Windräder.

Sollte der Kanton Luzern die Teilrevision als ungültig erklären, dann werde man die Begründung prüfen und die weiteren Schritte situativ beurteilen, so Kammermann weiter. Ruhe wird am Stierenberg also so bald keine einkehren: «Die Abstimmung hat klar gezeigt, dass die Bevölkerung gegen den geplanten Windpark ist. Das ist keine Einstellungssache zum geplanten Projekt, sondern die Meinung der Bevölkerung die sich in der Abstimmung widerspiegelt.»

Quelle: PilatusToday
veröffentlicht: 4. März 2024 18:40
aktualisiert: 4. März 2024 19:00