Schiessunfall in Uri

«Ein Restrisiko bleibt immer» – so reagiert die Polizeischule Hitzkirch

Daniel Schmuki, 24. April 2024, 06:21 Uhr
In der Polizeiausbildung wird auch das Schiessen trainiert. (Symbolbild)
© KEYSTONE/DPA/Michael Reichel
Bei einer Schiessübung der Kantonspolizei Uri hat sich ein Schuss aus einer Dienstwaffe gelöst. Dabei wurde eine Person verletzt. Wie oft ereignen sich solche Zwischenfälle? Und was wird in der Polizeiausbildung unternommen, damit der Umgang mit Waffen möglichst sicher ist?

An der Interkantonalen Polizeischule Hitzkirch (IPH) absolvieren jährlich gegen 350 Personen die Polizeiausbildung. In dieser lernen sie unter anderem auch den korrekten Umgang mit Waffen. Die Aspirantinnen und Aspiranten stammen von elf Polizeikorps aus der Zentral- und Nordwestschweiz.

Alex Birrer leitet seit mehreren Jahren die Interkantonale Polizeischule Hitzkirch. (Archivbild)

© Luzerner Zeitung/Corinne Glanzmann

Direktor der Polizeischule Hitzkirch ist seit Sommer 2019 Alex Birrer. Zum Schiessunfall in Wassen von vergangenem Donnerstag kann er keine Auskunft geben, da er die genauen Details nicht kennt. Birrer beantwortet im Gespräch mit PilatusToday jedoch generelle Fragen, die sich um die Schiessausbildung von angehenden Polizistinnen und Polizisten drehen.


PilatusToday: Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn sie von Schiessunfällen wie jenem von vergangener Woche im Kanton Uri hören?

Alex Birrer: Das ist natürlich immer wieder tragisch. Es zeigt uns auf, dass wir in der Ausbildung, bei der die Waffe ein ganz zentraler Punkt ist, alles daran setzen müssen, dass sich keine Unfälle ereignen. Das ist sehr wichtig.

Sie sagen, dass man alles daran setzt, dass der Umgang mit Waffen sicher ist. Wie geschieht das bei Ihnen an der Polizeischule? Wie läuft die Ausbildung ab?

Die Schiessausbildung an der Waffe umfasst bei uns etwas mehr als 80 Lektionen innerhalb des ersten Ausbildungsjahrs. All diese Lektionen finden in unseren Schiesskeller statt. Die Abläufe sind genau vorgegeben. Beispielsweise wird jede Waffe kontrolliert, bevor man in den Schiessunterricht geht. Auch das Entladen nach der Übung wird stets überprüft.

So viel zum Ablauf. Doch wie sensibilisiert man bei Ihnen in Hitzkirch die angehenden Polizistinnen und Polizisten für die Gefahr von Waffen?

Es gibt Grundsätze, die wir unseren Aspirantinnen und Aspiranten von Anfang an eintrichtern. Dazu gehört zum Beispiel, dass jede Waffe, die man in die Hand nimmt, grundsätzlich als geladen zu betrachten ist. Erst wenn man sich davon überzeugt hat, dass sie nicht geladen ist, kann man davon ausgehen, dass sie effektiv nicht geladen ist.

Ein weiterer Punkt ist, dass man eine Waffe nie auf ein Objekt richtet, das man nicht treffen will. Der Finger darf erst zum Abzug, wenn man sein Ziel wirklich vor Augen hat. Das sind die Grundsätze, die wir in unserer Ausbildung vom ersten Moment an mitgeben. Dazu kommt, dass die Schiessübungen sehr eng begleitet werden. Es darf nur geschossen werden, wenn es kommandiert ist.

Wie lange dauert es von der Theorie bis zum ersten Schuss?

Das geht sehr schnell. Zu Beginn der Ausbildung lernt man selbstverständlich die Waffe kennen und trainiert die Manipulationen. Doch dann geht es an die praktischen Übungen und es wird bereits scharf geschossen. 90 Prozent der gut 80 Lektionen sind Scharfschuss-Lektionen.

Der richtige Umgang mit einer Dienstwaffe will gelernt sein. (Symbolbild)

© KEYSTONE/Georgios Kefalas

Wie reagieren die angenehmen Polizistinnen und Polizisten, wenn sie das erste Mal mit einer Waffe schiessen? Ich nehme an, da ist auch ein gewisser Respekt vorhanden.

Die Erfahrungen, die sie mitbringen, sind sehr unterschiedlich. Es gibt Personen, die bereits in der Armee waren und daher den Umgang mit Waffen kennen, aber auch solche, die noch nie geschossen haben. Entscheidend ist die Rolle der Ausbildner. Es gehört zu ihren Aufgaben, die Aspirantinnen und Aspiranten Schritt für Schritt heranzuführen, sodass sie schliesslich ein gutes und sicheres Gefühl haben, wenn sie die Waffe bedienen.

Erhalten Personen, die noch nie eine Waffe in der Hand hatten, eine längere Betreuung als Personen, die in der Armee waren?

Ja, darauf schauen wir. Es ist aber nicht so, dass die Lektionen anders sind. Die Schiessausbildung wird in Achtergruppen absolviert. Wenn der Ausbildner merkt, dass jemand unsicher ist, wird diese Person natürlich näher begleitet. Die restlichen Aspirantinnen und Aspiranten absolvieren die Ausbildung dann einfach etwas selbstständiger. In aller Regel ist das aber kein Problem. Bereits nach wenigen Lektionen gibt es kaum noch Unterschiede bei den angehenden Polizistinnen und Polizisten.

Wie geht es nach der Schiessausbildung weiter? Müssen Polizistinnen und Polizisten regelmässig Kurse und Schiesstrainings absolvieren oder geschieht dies alles auf freiwilliger Basis?

In unserer Waffenausbildung werden ungefähr 2500 Schüsse abgefeuert. Zum Abschluss steht eine praktische Prüfung auf dem Programm. Hier wird zum einen die Technik geprüft, zum anderen gibt es auch einen Theorie-Teil. In diesem muss man zum Beispiel wissen, wann eine Waffe eingesetzt werden darf.

Die Weiterbildung liegt dann in der Zuständigkeit der jeweiligen Polizeikorps. Diese haben klare Vorgaben. Zum Beispiel, dass man jedes Jahr ein Schiesstraining absolvieren muss, ansonsten darf man keine Waffe tragen.

Aus Ihrer Sicht als Direktor der Polizeischule Hitzkirch: Genügen die Standards, die es aktuell bei der Ausbildung und den regelmässigen Schiesstrainings gibt, damit die Gefahr von Schiessunfällen möglichst klein ist?

Ich bin überzeugt, dass die Grundausbildung und die Weiterausbildung absolut richtig dimensioniert sind und die Sicherheit entsprechend da ist. Dass man ein Restrisiko nie ausschliessen kann, ist vermutlich allen klar. Aber wenn man die Waffenausbildung in der Schweiz mit jener in deutschen Bundesländern an unserer Landesgrenze vergleicht, ist bei uns nur schon der praktische Teil wesentlich höher. Mehr praktische Übung gibt automatisch mehr Sicherheit im Umgang mit Waffen. Aber wie gesagt: Ein Restrisiko bleibt immer. Eine Waffe ist ein gefährliches Mittel.

Unsere Recherchen haben gezeigt, dass sich bei den Polizeikorps in der Zentralschweiz selten Schiessunfälle ereignen. Gibt es dennoch einen Zwischenfall, bleibt dieser oftmals ohne Konsequenzen. Wie schätzen Sie das ein?

Jeder derartige Vorfall ist dumm gelaufen, sonst wäre er nicht passiert. Es ist fast immer eine Verkettung von irgendwelchen unglücklichen Umständen, dass es überhaupt zu so etwas kommt. Ich finde es richtig, dass man jeden Fall individuell untersucht. Pauschal zu sagen: Ein Schuss, der sich löst, muss immer Konsequenzen haben, ist meiner Meinung nach schwierig.

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Quelle: PilatusToday
veröffentlicht: 24. April 2024 06:21
aktualisiert: 24. April 2024 06:21