Hergiswil bei Willisau

Wirtin rettet ein ganzes Dorf, indem sie die Dorfbeiz wiedereröffnet

Alessandro Perucchi, 14. Februar 2023, 09:10 Uhr
Das Gasthaus Kreuz in Hergiswil bei Willisau ist endlich wieder offen. Madeleine Juon aus dem Dorf ist die neue Wirtin.
© Luzerner Zeitung / Peter Helfenstein
Nachdem das letzte Restaurant in Hergiswil bei Willisau schloss, war der Frust im Dorf gross. Es war nicht mehr möglich, ein Feierabendbier zu trinken. Wirtin Madeleine Juon sagte dem Beizensterben aber den Kampf an und eröffnete das Gasthaus Kreuz wieder. Eine Erfolgsgeschichte.

Weit hinten im Kanton Luzern befindet sich das malerische Dorf Hergiswil bei Willisau. Weniger als 2000 Einwohnerinnen und Einwohner, gut 50 Vereine, eine Metzgerei, eine Bäckerei und endlich wieder ein Restaurant.

In Hergiswil bei Willisau gab es über längere Zeit keine Möglichkeit einzukehren. Das war besonders für die zahlreichen Vereine schlimm.

© Luzerner Zeitung / Boris Bürgisser

Die Dorfbevölkerung ist sich bewusst, dass es inzwischen keine Selbstverständlichkeit mehr ist, eine Beiz im Dorf zu haben, denn sie hatten mehrere Monate keine. Im letzten Oktober aber entschied sich eine Dorfbewohnerin, das Gasthaus Kreuz wieder zu öffnen und ist seither äusserst erfolgreich.

Das Gasthaus Kreuz musste schliessen

Im vergangenen August musste die damalige Pächterin ihren Betrieb einstellen. Es zahlte sich nicht mehr aus, ein Gasthaus zu führen. Sie befindet sich momentan im Konkursverfahren, wie der «Willisauer Bote» berichtete. Dabei gehört das Gasthaus schon seit über hundert Jahren den Dorfbewohnern: Es wird über die Genossenschaft zum Kreuz verwaltet, die sich zum Ziel gesetzt hatte, die Beiz aufrechtzuerhalten.

Die zahlreichen Vereine spürten das ganz besonders. Nachdem die Wirtin ihren Betrieb nämlich einstellen musste, verloren sie ihr wichtigstes Lokal. Marcel Mehr, Präsident der Musikgesellschaft in Hergiswil, sagt dazu: «Für den Vereinsgeist ist es schlecht, wenn es keine Beiz gibt.» Denn nach den Proben könnten sie nicht gemütlich Beisammensein und etwas trinken.

Die Retterin aus dem Dorf

«Die Idee entstand aus der Not», erklärt Madeleine Juon, die neue Wirtin des Gasthauses. Sie habe früher eigentlich immer in der Gastronomie gearbeitet, in den vergangenen Jahren war sie aber vor allem Mutter und auf dem eigenen Kleintierhof beschäftigt. Doch als Mitglied der Schulkommission war auch sie vom Fehlen des Restaurants betroffen, denn «wir konnten nach den Sitzungen nicht anstossen.»

Hier deckt die neue Wirtin Madeleine Juon die Tische im Gasthaus Kreuz – eine Veranstaltung mit Nachtessen steht bevor.

© Willisauer Bote / fg

So entschloss sie sich im Oktober dazu, das Kreuz zu übernehmen. Zuerst sollte es nur bis im Dezember betrieben werden, weil es dann aber so gut lief, führte sie den Betrieb weiter – bis heute. Die Dorfgemeinschaft ist überglücklich, wie Gemeindepräsident Urs Kiener bestätigt: «Sie macht ihre Arbeit ausgezeichnet.» Ähnlicher Meinung sind die Vereine: «Sie ist eine fantastische Wirtin», so Marcel Mehr anerkennend, «die sehr gut zu den Vereinen von Hergiswil schaut.»

Die Gastronomie muss sich anpassen

Die Vereine sind jedoch nicht nur die Hauptkundschaft der Beiz, sie richtet auch nach ihnen aus. Denn sowohl Angebot als auch Öffnungszeiten sind darauf ausgelegt, dass die Vereine nach den Versammlungen auf ein Getränk und einen Imbiss vorbeikommen können. Juon betont aber, dass das Kreuz allen offenstehe, die vorbeikommen wollen. Auch eine Hausfrau und Arbeiter sollen ihren Platz haben neben den Vereinen. So ist das Gasthaus Kreuz von dienstags bis freitags immer ab 17 Uhr offen – auf Anfrage können aber auch Essen zu anderen Zeiten stattfinden.

Dass Wirten nicht mehr so einfach ist wie früher, das weiss auch die neue Wirtin. Ihr ist klar, dass sich das Kreuz an den Vereinen orientieren muss. «Als typisches Tagesrestaurant würde es momentan nicht rentieren», meint sie. Doch mit den Vereinen kann sie das Restaurant betreiben und summiert: «Es gibt nichts Schöneres, als in der eigenen Gemeinde zu wirten.» Das wundert niemanden. Denn das ganze Dorf ist überglücklich, dass sie wieder eine Beiz haben.

Endlich brennt im Gasthaus Kreuz wieder das Licht. (Archivbild)

© zVg
Quelle: PilatusToday
veröffentlicht: 13. Februar 2023 15:20
aktualisiert: 14. Februar 2023 09:10