«Grosser Respekt»: Redaktor erlebt Periodenschmerzen
Quelle: PilatusToday/Andreas Wolf
Was auf Tiktok viral gegangen ist, wollte ich unbedingt am eigenen Leib erfahren – simulierte Periodenschmerzen. Als Mann werde ich vermutlich nie wirklich verstehen, wie es ist, jeden Monat eine Woche lang mit Schmerzen im Unterleib leben zu müssen. Das soll sich nun ändern.
Ein TENS-Gerät des Physiozentrums Luzern soll die Schmerzen an mir simulieren. Normalerweise stimuliert das Gerät mit Strom die Muskeln und wird zum Lösen von Lähmungen oder zum Verhindern von Muskelschwund verwendet.
Eine Frau als Referenz
Als Mann kann ich kaum beurteilen, ob der Schmerz des Gerätes auch tatsächlich jenem der Periode entspricht. Deshalb hat mich meine Arbeitskollegin Anita von Rotz begleitet. Sie leidet am ersten Tag der Periode oft unter starken Menstruationsbeschwerden und soll als Referenz dienen. Bei 40 Milliampere bestätigt sie: Die Schmerzen kommen ihren eigenen während der Periode relativ nahe.
Nach Anita bin ich an der Reihe. Meine Hände zittern etwas. Die Elektroden der Maschine kommen an jenen Ort, wo bei einer Frau die Gebärmutter wäre. Anima Willi vom Physiozentrum Luzern erklärt mir, dass ich einfach Stopp sagen müsse, wenn es mir zu viel wird. Infrage kommt für mich ein Abbruch allerdings nicht.
Die Physiotherapeutin dreht am Knopf – und sofort schiesst ein Schmerz in meinen Bauch. Ich stöhne auf und Anima Willi dreht den Knopf zurück. «Das waren jetzt 27,6 Milliampere», sagt sie mit einem Lächeln. Anita verzieht bei dieser Stärke kaum eine Miene.
Noch einmal von Vorne
Ich sage mir: Bei etwas mehr als der Hälfte von Anitas Schmerzen will ich nicht aufhören. Ich will das volle Programm! Also dreht Anima erneut am Regler des TENS-Gerätes – und scheint meine Schmerzen fast ein bisschen zu geniessen. Bei 40 Milliampere angekommen, kann ich kaum noch Sätze formulieren und winde mich unter den Schmerzen.
Als mir die Physiotherapeutin dann endlich die Elektroden abnimmt, atme ich auf. Die Erleichterung hält aber nicht lange. «Ich glaube, es hat nicht aufgenommen», sagt meine Arbeitskollegin hinter der Kamera und schaut mich an. Bravo, einmal mit Profis, denke ich mir. Aufnahmen von meinen Schmerzen gibt es keine, ohne Aufnahmen ein Video zu schneiden – undenkbar.
So kommen die Elektroden nochmals auf meinen Unterleib. Ich ertrage zwar die Schmerzen, krümme mich aber immer wieder und mehr als kurze Antworten liegen nicht drin. Dann sind endlich alle Aufnahmen im Kasten, sodass ich ein Fazit ziehen kann. «Ich könnte das nicht», will ich fast schon sagen, verkneife es mir dann aber doch. Frauen haben schliesslich keine Wahl.
Verändertes Bild
Aus der ganzen Aktion nehme ich zwei Dinge mit: Muskelkater am Bauch ist eines davon. Das andere ist ein erweitertes Verständnis davon, was Frauen alles durchmachen müssen. Sich jeden Monat krank melden geht selten. Wer leidet, leidet.
Ich ziehe meinen Hut vor all den Frauen, die jeden Monat unter diesen Qualen leiden müssen. Ich war mir zwar bewusst, dass Perioden nichts Lustiges sind. Aber erst, wenn man selbst spürt, wie sich die Schmerzen ungefähr anfühlen, merkt man, wie schmerzhaft Perioden wirklich sind.
Wenn ich nochmals von einem Mann Sätze höre, wie «Was zickt die so rum? Hat sie wieder ihre Tage?» oder «Stell dich nicht so an, du bist ja nicht krank», dann setzt es aber etwas. Wer unter diesen Schmerzen niemandem die Rübe einschlägt, hat einen Friedensnobelpreis verdient.