10 Jahre Amoklauf

Als Erster in Menznau: «Wir wussten, etwas Schlimmes ist passiert»

Shana Meister, 28. Februar 2023, 07:57 Uhr

Quelle: PilatusToday / Anita von Rotz

Der Amoklauf in Menznau hat weltweit bewegt. Der amerikanische Fernsehsender «CNN» und auch die australische Zeitung «The Australian» haben darüber berichtet. Das allererste Interview vor Ort in Menznau hat der ehemalige Radio Pilatus-Reporter Sämi Deubelbeiss geführt. Eine berufliche und private Herausforderung für den Journalist.

«Ich kann mich noch gut an diesen Tag erinnern. Wir haben am Morgen einen kurzen Hinweis erhalten. Wir wussten sofort, dass etwas ganz Schlimmes passiert sein musste», erinnert sich Sämi Deubelbeiss.

Als Reporter vor Ort

Heute vor genau zehn Jahren, machte sich der ehemalige Radio Pilatus-Reporter, gemeinsam mit einem Kollegen auf den Weg nach Menznau. «Wir wussten nicht, was uns vor Ort erwarten wird», so Deubelbeiss. Auf dem Gelände der Firma Kronospan angekommen, konnten die Reporter nur erahnen, welch grauenvolle Tat gerade passiert ist.

Sämi Deubelbeiss war damals für Radio Pilatus als Reporter in Menznau und hat darüber berichtet.

© Pius Amrein/ Luzerner Zeitung

Erste Informationen für die Berichterstattung lieferte der Geschäftsführer der Firma Kronospan, wie auch der Mediensprecher der Luzerner Polizei. «Ich erinnere mich daran, wie der Mediensprecher aus dem Gebäude kam. Er hatte Tränen in den Augen und riet mir, das Gebäude nicht zu betreten.»

Sämi Deubelbeiss erinnert sich daran, an diesem Tag einfach funktioniert zu haben und seiner Pflicht als Journalist nachgegangen zu sein. So habe die Redaktion von Radio Pilatus noch am selben Tag mehrere Interviews für ausländische Medien gegeben, die bis nach New York reichten. Das Ereignis schlug weltweit Wellen und bekam eine riesige Medienpräsenz. An dieser wurde damals Kritik geäussert.

Die Würde des Menschen ist unantastbar

Bei solchen Ereignissen gilt es für Journalistinnen und Journalisten einige rechtliche wie auch ethische Punkte zu beachten, erklärt Medienwissenschaftler Guido Keel. Im Falle von Menznau wurden dazumal nach kurzer Zeit das Gesicht und der Name des Täters in den Medien veröffentlicht. Da vom Täter jedoch keine Gefahr mehr ausging, sei dies aus journalistischer Sicht nicht nötig gewesen. «Um zu wissen, was passiert ist, muss die Öffentlichkeit nicht über das Aussehen oder das Leben des Täters informiert sein», erklärt Keel.

Guido Keel doziert an der Schweizer Journalistenschule MAZ angewandte Medienwissenschaft. 

© Keystone / Urs Flueeler

In erster Linie gelte es, die Würde der Menschen zu bewahren. Im Fall Menznau also die Würde der Opfer, der Angehörigen und der Mitarbeitenden. Medienarbeitende sollten dabei das eigene berufliche Interesse zurückhalten und die Interessen der Betroffenen in den Vordergrund stellen. «Es braucht als Journalistin oder Journalist Grösse, manche Informationen aus Respekt zu den Betroffenen nicht zu veröffentlichen», so Keel.

«Bin stolz darauf, wie wir dazumal reagierten»

Auch für Sämi Deubelbeiss war der 27. Februar 2013 eine grosse, berufliche Herausforderung. «Solch ein Erlebnis erlebt man, wenn überhaupt, nur einmal in seiner Karriere als Journalist», ist sich Deubelbeiss sicher. Bei der Berichterstattung habe er und sein Team offengelegt, was sie über den Fall wussten, aber auch das, was sie nicht wussten.

So wurde in der Radio Pilatus-Redaktion bewusst auf Spekulationen verzichtet. Dies sei ihm als Journalist wie auch als Privatperson wichtig gewesen – aus Respekt gegenüber den Opfern und deren Angehörigen. «Auch nach diesen zehn Jahren kann ich sagen, dass ich stolz darauf bin, wie wir dazumal als Team reagierten», so Deubelbeiss.

Gedenkfeier zum 10. Jahrestag

Ein tragisches Ereignis, das zu der Geschichte der Firma, die sich heute Swiss Krono nennt, gehört. So erinnert heute eine Gedenkstätte an das Geschehene. Zum zehnten Jahrestag organisiert die Firma eine Gedenkfeier für direkt Betroffene und Mitarbeitende, sagt Roger Braun, heutiger Standortleiter der Firma in Menznau. So wird in Menznau ein sensibler, aber gleichzeitig offener Umgang mit dem Ereignis vor zehn Jahren gepflegt.

Quelle: PilatusToday
veröffentlicht: 27. Februar 2023 17:03
aktualisiert: 28. Februar 2023 07:57