Ukrainische Flüchtlinge

Im Kloster, Hotel oder bei Privaten: Zentralschweizer Kantone bereiten sich vor

Raffaele Wiler, 8. März 2022, 18:26 Uhr
Pfaffnau: Das Westtreppenhaus des Klosters St. Urban.
Die ersten ukrainischen Flüchtlinge sind bereits im Kanton Luzern angekommen. In den nächsten Wochen und Monaten werden noch Hunderte oder gar Tausende erwartet. Trotz engem Zeitplan scheint der Kanton Luzern vorbereitet und baut seine Kapazitäten aus. Auch die anderen Zentralschweizer Kantone reagieren.

Es wird am Ende wohl ein Tropfen auf den heissen Stein sein: Die Hochschule Luzern hat am Sonntag und Montag insgesamt 20 ukrainische Studentinnen aufgenommen. Aus persönlichem Engagement der Hochschule und einer guten Partnerschaft. Doch 20 privat vermittelte Plätze werden in den nächsten Wochen nicht genügen. Das Staatssekretariat für Migration rechnet damit, dass in den kommenden Wochen 1000 und mehr Flüchtlinge wöchentlich aus der Ukraine in die Schweiz kommen werden. Für die Kantone, die für die Unterbringung zuständig sind, eine Herausforderung.

80 neue Plätze in St. Urban

Bereits seit dem Wochenende ist klar, dass der Kanton Luzern seine Kapazitäten ausbauen will. 80 Plätze wurden geschaffen, wie die «Luzerner Zeitung» zuerst berichtete. Nun ist klar, wo die ukrainischen Flüchtlinge unterkommen werden: In einem vorübergehend leerstehenden Gebäude auf dem Areal des Klosters St. Urban. Dieses bietet Platz für 80 Personen und kann auf Mitte März in Betrieb genommen werden, wie der Kanton in einer Mitteilung schreibt. Das Gebäude kann als temporäre Asylunterkunft für vorerst ein Jahr genutzt werden. Die Betreuung wird durch die Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen (DAF) im 24-Stunden-Betrieb während der ganzen Woche sichergestellt, schreibt der Kanton. Silvia Bolliger, Leiterin der Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen (DAF), sagt auf Anfrage von PilatusToday und Tele 1, dass es aktuell kaum abzuschätzen sei, wie viele ukrainische Flüchtlinge tatsächlich nach Luzern kommen werden. Man sei dabei, mögliche Unterkünfte zu prüfen und sammle auch Angebote von Privaten. Auch sei unklar, wie viele Personen aus der Ukraine bereits in den Kanton Luzern gekommen seien. Wichtig sei nun, dass sich der Kanton auf alle Eventualitäten und verschiedene Szenarien vorbereite, damit man im Ernstfall bereit ist.

Zentralschweizer Kantone bereiten sich vor

Auf mehr als 80 Flüchtlinge stellt sich der Kanton Zug ein. Auf Nachfrage von PilatusToday und Tele 1 führt der zuständige Regierungsrat Andreas Hostettler aus, dass in einer Arbeitsgruppe, in der die verschiedenen betroffenen Direktionen zusammen kommen, Pläne für bis zu 1000 Flüchtlinge erarbeitet werden. Aktuell liege der Fokus auf zwei Herausforderungen. Wo bringt man bis zu 1000 Flüchtlinge unter? Denn die vorhandenen Asylplätze sind bereits stark ausgelastet. Und wie gehen die Schulen mit den ankommenden Kindern um? Hostettler führt aus, dass man damit rechnet, dass 30 Prozent der Geflüchteten Kinder sind, welche ins Schulsystem integriert werden müssen. Bei den angenommenen 1000 Flüchtlingen kann das bis zu 300 Schülerinnen und Schüler bedeuten.

Für die Unterbringung der 1000 Flüchtenden sei man in engem Austausch mit den Gemeinden – aber auch mit Privaten. Infrage kämen beispielsweise Hotels oder leerstehende und ungenutzte Gebäude. Wichtig sei, dass eine gewisse Infrastruktur vorhanden ist. Das heisst, dass es mindestens Zimmer und sanitäre Anlagen gibt, präzisiert Hostettler.

Auch der Kanton Nidwalden ist gemäss einer schriftlichen Antwort «gewappnet». Er rechnet damit, dass ihm gemäss dem Verteilschlüssel rund 100 ukrainische Flüchtlinge zugewiesen werden. Man sei aktuell daran, eine «zentrale Empfangsstelle für die ersten Tage nach der Ankunft» einzurichten. Später würden die Personen in Privatwohnungen untergebracht. Der Kanton schreibt von einer «sehr grossen» Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung. Parallel prüfe der Kanton aber laufend weitere Unterbringungsmöglichkeiten, falls es mehr als die kalkulierten 100 Personen werden würden. «Der Kanton Nidwalden plant jedenfalls in grösseren Dimensionen, um im Bedarfsfall dafür bereit zu sein.»

Strukturen in Uri könnten an Anschlag kommen

Der Kanton Uri auf der anderen Seite ist sich bewusst, dass je nach Dauer des Krieges und der damit verbundenen Flüchtlingswelle die «vorhandenen Strukturen im Urner Asylwesen nicht ausreichen» werden, wie der Kanton am Dienstag in einer Mitteilung schreibt. Bei schnell und stark zunehmendem Bedarf an Unterkünften würde dies nicht über die bestehenden Strukturen und der Vereinbarung mit dem Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) zu bewältigen sein, so der Kanton. Die Sozialdirektion ist deshalb aktuell mit der Sicherheitsdirektion daran, verschiedene Optionen zu prüfen. Der Kanton werde jedoch seine Verantwortung wahrnehmen und die Betreuung und Unterkünfte für die Flüchtlinge sicherstellen, garantiert der Kanton weiter.

Schutzstatus S wird erstmals angewendet

Am Freitag wartete der Bundesrat mit einem Novum auf. Der Schutzstatus S für Flüchtlinge soll erstmals zur Anwendung kommen. Aktuell läuft die Konsultation bei den Kantonen. Angesichts der Solidarität mit der Ukraine dürfte die Anwendung aber klar sein. Dieses Zeichen der Humanität verändert jedoch auch für die Kantone die Ausgangslage. Flüchtlinge gelangen leichter in die Schweiz und können auch länger hier bleiben. Für den Kanton Luzern heisst das, dass beispielsweise auch die Unterbringung in Gastfamilien möglich ist. Und Andreas Hostettler, Vorsteher der Direktion des Innern vom Kanton Zug, führt aus, dass dieser Status für die Kantone auch eine gewisse Sicherheit bringe. Denn damit seien auch finanzielle Leistungen – Kosten für die Krankenkasse, die Miete oder Entschädigung der Gastfamilien – geregelt, die der Bund übernehmen wird.

Asylzentren stark ausgelastet

Bereits seit dem Sommer 2021 ist die Zahl der Asylgesuche in der Schweiz angestiegen. Die kantonalen Asylzentren seien deshalb auch in Luzern bereits seit mehreren Monaten gut ausgelastet, schreibt der Kanton weiter. Momentan sei schwer abschätzbar, mit welchen Herausforderungen sich der Kanton Luzern durch die Aufnahme der ukrainischen Flüchtlinge konfrontiert sehen wird.

(kra)

Quelle: PilatusToday
veröffentlicht: 8. März 2022 13:24
aktualisiert: 8. März 2022 18:26