Prozess

Luzerner Arzt will Freispruch nach «Corona-Spaziergängen»

11. August 2022, 17:57 Uhr
Teilnehmer eines «Abendspaziergangs» in der Stadt Luzern, die sich gegen die Coronamassnahmen und für einen massnahmekritischen Arzt stark machten. (Archivbild)
© KEYSTONE/URS FLUEELER
Ein massnahmenkritischer Arzt hat sich am Donnerstag vor dem Luzerner Bezirksgericht verantworten müssen, weil er im Frühling 2021 an nicht bewilligten Kundgebungen teilgenommen hat. Sein Verteidiger forderte einen Freispruch, da nicht erstellt sei, dass die «Spaziergänge» überhaupt bewilligungspflichtig gewesen seien.

Der Kanton Luzern hatte dem 54-jährigen Hausarzt im Frühling 2021 vorübergehend die Berufsausübungsbewilligung entzogen wegen vermuteter Verletzung gesetzlicher Berufspflichten. Er und ein Teil seiner Mitarbeitenden trugen in der Praxis in Ebikon keine Schutzmasken. Mittlerweile darf er wieder praktizieren.

Demonstrationen für Arzt

Ebenfalls im Frühling 2021 war es wegen der Coronamassnahmen in der Stadt Luzern wiederholt zu Kundgebungen gekommen. Die sogenannten «Abendspaziergänge» von Massnahmenkritikern waren von der Stadt nicht bewilligt. Der Arzt, dessen Berufsverbot an den Demonstrationen ein Thema war, nahm laut dem Strafbefehl zwischen März und Juni an vier dieser unbewilligten Kundgebungen teil.

Es sei ihm darum gegangen, andere, gleichgesinnte Menschen «an der frischen Luft» zu treffen. Weil er zu diesem Zeitpunkt nicht praktizieren durfte, habe er auch Zeit dafür gehabt. Wenn es nicht einmal mehr erlaubt sei, spazieren zu gehen, dann stehe es nicht gut um den Rechtsstaat, sagte er.

Spaziergänge nicht organisiert

Die Luzerner Staatsanwaltschaft stufte die «Spaziergänge» indes als unbewilligte Kundgebungen ein. Sie auferlegte ihm dafür eine Busse von 500 Franken und Verfahrenskosten von 600 Franken. Er sei der mehrfachen Widerhandlung gegen das Reglement über die Nutzung des öffentlichen Grundes schuldig.

Der Verteidiger legte Wert darauf zu betonen, dass sein Mandant nicht der Organisator der Anlässe war. Zudem zog er die Bewilligungspflicht der «Spaziergänge» in Zweifel. Für eine solche wäre ein gesteigerter Gemeingebrauch des öffentlichen Grundes zwingend.

Es gebe Ermessensspielraum bei der Unterscheidung zwischen einfachem, nicht bewilligungspflichtigem und gesteigertem Gemeingebrauch. Er verglich die «Spaziergänge» mit Ansammlungen am Bahnhof. Wenn sich etwa eine Wandergruppe besammle und Menschen gemeinsam an einen bestimmten Ort laufen, bräuchten sie dafür auch keine Bewilligung.

«Nichts vorzuwerfen»

Die Staatsanwaltschaft habe nicht ausreichend dargelegt, wieso bei den Spaziergängen ein gesteigerter Gemeingebrauch vorliege. Sein Mandant sei daher von allen Vorwürfen freizusprechen, die Verfahrenskosten sollen zulasten des Staates gehen.

Der Beschuldigte, der die Ärztevereinigung «Aletheia - Medizin und Wissenschaft für Verhältnismässigkeit» präsidiert, sagte dem Richter, er habe sich nichts vorzuwerfen. Er habe nicht etwa aus «staatsumwälzlerischen Impulsen» heraus den Strafbefehl angefochten, sondern um auf die Versammlungs- und Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht hinzuweisen.

Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt schriftlich eröffnet. Im Zusammenhang mit den «Spaziergängen» sind beim Bezirksgericht drei weitere Verfahren hängig, drei Verfahren wurden bereits erledigt.

Quelle: sda
veröffentlicht: 11. August 2022 14:34
aktualisiert: 11. August 2022 17:57