«Staatspolitisch fragwürdig»

Umfahrung Beromünster verzögert sich: Fehlt das Geld oder das Personal?

Peter Helfenstein, 18. März 2024, 11:49 Uhr
Es wird noch lange dauern, bis die Umfahrung Beromünster realisiert wird. Regierungsrat Fabian Peter (rechts) und Kantonsrat Markus Bucher (Symbolbild).
© PilatusToday
Mehrere geplante Kantonsstrassenprojekte im Kanton Luzern werden wohl erst später als ursprünglich geplant realisiert. Das alarmiert Kantonsparlamentarier und die Gemeinden. Auch der Personalmangel bei der kantonalen Dienststelle Verkehr und Infrastruktur (Vif) dürfte dabei eine Rolle spielen.

Bei den Kantonsstrassen scheint im Kanton Luzern der Wurm drin. Dabei geht es nicht in erster Linie um bestehende Strassen, sondern um Neubau- oder Sanierungsprojekte. Wie Recherchen von PilatusToday und Tele 1 zeigen, verzögern sich nun möglicherweise auch Strassenbauprojekte, die von der Stimmbevölkerung angenommen wurden.

Baustart Umfahrung wohl nicht vor 2028

Für die Umfahrung Beromünster hat die Luzerner Stimmbevölkerung im Juni 2023 einen Sonderkredit von 70,6 Millionen Franken bewilligt. Laut dem Zeitplan auf der Webseite der Dienststelle Vif ist die Realisierung ab dem Jahr 2025 vorgesehen. Doch damit rechnet niemand mehr. Im aktuellen Aufgaben- und Finanzplan des Kantons sind bis 2026 lediglich 1,25 Millionen Franken für die Planung eingeplant. Ursprünglich waren erste Realisierungskosten von 23 Millionen Franken drin.

Das zuständige Bau- Umwelt und Wirtschaftsdepartement (BUWD) weist auf Anfrage drauf hin, dass die Baubewilligung noch aussteht. Einsprachen gegen das Grossprojekt könnten den Baustart also noch verzögern. Ob diese Überlegung der Grund für das Hinausschieben der Realisierungskosten war, bleibt offen. Derweil macht der Kantonsparlamentarier Markus Bucher aus Gunzwil gegenüber PilatusToday und Tele 1 deutlich, dass nur allfällige Einsprachen gegen die Umfahrung ein plausibler Grund für die Verzögerung wäre. «Wenn es keine Einsprachen gibt, muss es schneller gehen!», sagt er. Mit Blick auf den Aufgaben- und Finanzplan bangt der Mitte-Kantonsparlamentarier um den baldigen Baustart der Umfahrung.

Damit ist er nicht allein. Am 1. Februar fand deshalb eine Aussprache zwischen der Gemeinde Beromünster und Kantonsvertretern statt. Denn: Vieles hängt in Beromünster in der nächsten Zeit von der Umfahrung ab. Darunter auch die Umsetzung der Ortsplanung, die den Korridor für die geplante Umfahrung beinhaltet. Laut Bucher wäre eine Verzögerung von bis zu drei Jahren einschneidend. Er denkt dabei in erster Linie an kommunale Projekte wie das Pflegewohnheim Bärgmättli oder beim «Fläcke». Die Gemeindepräsidentin Manuela Jost spricht jedoch von einem «guten Austausch». Gemäss Markus Bucher ist man übereingekommen, weiterhin im Austausch zu bleiben und eine positive Lösung anzustreben.

Wie weiter mit der Lammschlucht?

Die neue Priorisierung im kantonalen Aufgaben- und Finanzplan stösst auch im südlichen Kantonsteil auf Skepsis. Im Entlebuch sorgt man sich um die ganzheitliche Realisierung des Lammschlucht-Projekts. Zwar ist die Fertigstellung der laufenden ersten Etappe bis 2026 nicht gefährdet, wohl aber die Etappen zwei und drei. Neo-Kantonsparlamentarierin und Gemeindepräsidentin von Flühli, Hella Schnider (Mitte), hat an der letzten Session einen Vorstoss dazu eingereicht. Darin macht sie klar, dass sie die Verzögerungen nicht hinnehmen will. Sie verlangt von der Regierung, im neuen AFP 2025 – 2028 sämtliche Investitionen gemäss geltendem Bauprogramm für die Kantonsstrassen wieder aufzunehmen. Markus Bucher hat den Vorstoss mitunterzeichnet.

Die Lammschlucht ist eine der grössten Baustellen im Kanton Luzern: Tele 1-Beitrag vom 23. Juni 2023

Gemeinden übergangen?

Die Rückstellungen rufen nun auch den Verband Luzerner Gemeinden (VLG) auf den Plan. Der Verband ist gemäss einem Schreiben an Regierungsrat Fabian Peter «in grosser Sorge» wegen der Verzögerungen von Strassenbauprojekten. Laut dem Brief von Ende Februar, der der Redaktion vorliegt, erachtet es der VLG als «staatspolitisch fragwürdig», wenn demokratisch legitimierte Projekte zurückgestellt werden. Woran sich der VLG generell stört: Die Gemeinden seien nicht einbezogen worden und es hätte «eine einseitige Festlegung seitens des Regierungsrats» gegeben.

Diese konkreten Vorwürfe lässt das zuständige Baudepartement auf Anfrage von PilatusToday und Tele 1 unkommentiert. «Das Schreiben des VLG wird der Kanton beim nächsten Austausch mit dem VLG thematisieren. Diesem Austausch können wir an dieser Stelle nicht vorgreifen», lässt die Medienstelle des BUWD ausrichten.

«Interne Ressourcenprobleme»

Der Verband Luzerner Gemeinden hegt gemäss dem Brief den Verdacht, dass auch «interne Ressourcenprobleme innerhalb des Vif eine Rolle spielen könnten». Tatsächlich ist die Dienststelle Vif seit einiger Zeit unterbesetzt. Wie in der «Luzerner Zeitung» im Februar nachzulesen war, waren damals «gut fünf Stellen» nicht besetzt. Die Medienstelle des BUWD bestätigt gegenüber PilatusToday und Tele 1, dass die Dienststelle Vif den Fachkräftemangel spürt. «Im Moment kann die Vif aber die anstehenden und laufenden Projekte stemmen», heisst es weiter.

Kein AFP, keine Kantonsstrassenprojekte

Mit Schreiben vom 17. November 2023 an alle Gemeinden hat der Kanton das Zurückstellen der Kantonsstrassenprojekte mit dem vom Parlament abgelehnten Aufgaben- und Finanzplan 2024 – 2027 begründet. Diese Begründung erweckt bei den Gemeinden offenbar einen fadenscheinigen Eindruck.

Was war passiert? Das «Njet» des Kantonsparlaments zum AFP 2024 – 2027 kam an der Oktobersession 2023. Hauptkritikpunkt: Die Regierung hätte bei den laufenden Ausgaben zu wenig priorisiert. Was einigen Kantonsparlamentarierinnen und Kantonsparlamentariern wohl nicht bewusst war: Priorisiert bzw. zurückgestellt hat die Regierung sehr wohl, und zwar auch bei den Investitionsprojekten und nicht nur bei den laufenden Ausgaben. Das gehöre zur «üblichen und bewährten Praxis bei der Ausgestaltung des Bauprogramms», schreibt das BUWD auf Anfrage.

Waren im Bauprogramm für die Kantonsstrassen noch Strassenprojekte für 140 Millionen Franken geplant, sind es im aktuellen AFP nun noch deren 86 Millionen. Das zeigt: Der Kanton hat die geplanten Investitionsausgaben für das Jahr 2025 im Topf A stark gekürzt.

Auch Markus Bucher war sich dessen – und vor allem der Folgen für die Umfahrung Beromünster – nicht bewusst. Das Planungsinstrument AFP umfasst 374 Seiten.

In den letzten Jahren genug Geld

Liegt es nun an fehlenden Finanzen oder an fehlendem Personal, dass der Kanton vom Volk bewilligte Kantonsstrassenprojekte zurückstellen muss? Ob der Begründung des Kantons mit dem abgelehnten AFP ist Markus Bucher jedenfalls überrascht. In seinen ersten vier Jahren als Mitte-Kantonsparlamentarier und Mitglied der Planungs- und Finanzkommission sei immer genügend zweckgebundenes Geld für die Kantonsstrassen bereitgestanden. Dass nun das Kantonsparlament an den Verzögerungen von Infrastrukturprojekten schuld sein soll, verärgert ihn.

Quelle: PilatusToday
veröffentlicht: 18. März 2024 11:49
aktualisiert: 18. März 2024 11:49