Luzerner Kriminalgericht

Waffe in die Hand gedrückt: «Nicht, dass uns der Schwarze verschiesst»

Raffaele Wiler, 20. Mai 2022, 06:53 Uhr
Ist die Weitergabe einer Waffe als Anstiftung zur Tötung zu verstehen? (Symbolbild)
© Getty Images
Mit sieben Schüssen wurde im November 2011 ein Mann in Emmenbrücke erschossen. Mittendrin: Ferdinand S.*, der dem Schützen die Waffe in die Hand gedrückt haben soll. Dafür muss sich Ferdinand S. am Freitag vor dem Kriminalgericht verantworten. Aber nicht nur. Denn die Liste seiner Straftaten ist lang.

«Fast gleichzeitig schob Wolfgang* dem Opfer den Lauf der geladenen Waffe in den Mund», heisst es in der Anklageschrift des heute 33-jährigen Ferdinand S. Er selber schoss nicht, war jedoch bei der Abgabe von bis zu acht Schüssen dabei und gab die Waffe, einen Revolver, dem Schützen in die Hand mit den Worten: «Nicht das uns der Schwarze verschüsst», wie er in der Anklageschrift zitiert wird.

Den nigerianischen Drogendealer aus der Wohnung schaffen

Die Anklageschrift erzählt die Geschichte eines Planes, bei dem Ferdinand S. früh involviert war. Das Ziel: Den unliebsamen Mitbewohner – ein nigerianischer Drogendealer, der sich illegal in der Schweiz aufhielt – aus der Wohnung einer Freundin schaffen. Die Freundin hatte den Nigerianer zunächst in der Wohnung geduldet, wollte ihn nun jedoch mit Hilfe ihres neuen Freundes Wolfgang loswerden.

Sehr früh war auch klar, dass bei diesem Rausschmiss Gewalt zum Einsatz kommen wird. Eine Waffe? Die kam erst kurz vor dem verhängnisvollen Aufeinandertreffen ins Spiel. Zunächst war die Rede davon, das Opfer zusammenzuschlagen, falls es «blöd» tue.

Ferdinand S., der Schütze, ein weiterer Komplize und die Freundin trafen sich rund zwei Stunden vor der Tat und machten sich auf den Weg zur Wohnung. Dabei wurde nicht nur davon gesprochen, dass der Mitbewohner aus der Wohnung müsse, sondern auch davon, ihm sein Geld und die Drogen abzunehmen. Und: es wurde ein Revolver mit acht Patronen geladen.

Sieben Schüsse treffen das Opfer

Kurz vor Mitternacht in der Wohnung angekommen, eskalierte die Situation in kurzer Zeit. Sie betraten die Wohnung, fanden den nigeranischen Mitbewohner auf dem Sofa, bauten sich vor ihm auf und steckten die kürzlich geladene Waffe in seinen Mund. Schüsse wurden abgegeben, eine Waffe wurde abgelegt, und aus Angst vor dem bereits angeschossenen Mitbewohner wieder aufgenommen, um weitere Schüsse abzufeuern. Am Ende, nach insgesamt sieben Schüssen auf den Körper, ging der nigerianische Mitbewohner in der Ecke zu Boden und verstarb. Ferdinand S. und der andere Komplize machten sich aus dem Staub.

Aufforderung zur Tötung

Gemäss der Anklageschrift steht der Tatbeitrag des Beschuldigten darin, dass er im Wissen um die mutmassliche Gewaltanwendung dem Haupttäter folgte und selbst bereit war, Gewalt anzuwenden. Mit seiner Handlung, den weggelegten Revolver zu ergreifen und ihn dem Schützen wieder in die Hand zu drücken, hat er ihn «geradezu zur Tötung des Opfers» aufgefordert, so die Staatsanwaltschaft gemäss Anklageschrift.

Raub, Waffenbesitz und Gefährdung des Lebens

Im Gegensatz zu einer Reihe weiterer Taten, derer Ferdinand S. beschuldigt wird, bestreitet er den Sachverhalt der Tatnacht im November vor über zehn Jahren. Die weiteren Taten, für die sich der 33-Jährige ebenfalls verantworten muss, erstrecken sich über einen Zeitraum von 2011 bis 2016. In dieser Zeit war er auch zu verschiedenen Zeitpunkten in Untersuchungshaft oder in Polizeigewahrsam. Ob Raub, Angriff oder illegale Waffen – kaum etwas, dass sich nicht in der Anklageschrift von Ferdinand S. findet.

Für die beschriebenen Vergehen – insbesondere für seine Teilnahme an der Nacht im November 2011 – fordert die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren.

Die Verhandlung vor dem Luzerner Kriminalgericht startet am Freitag um 9.00 Uhr.

*Namen der Redaktion bekannt

Quelle: PilatusToday
veröffentlicht: 20. Mai 2022 06:49
aktualisiert: 20. Mai 2022 06:53