Situation in Luzern

Wegen Crack: Offene Drogenszene nimmt in der Stadt Luzern zu

Marcel Jambé, 12. Oktober 2023, 09:12 Uhr
In der Öffentlichkeit harte Drogen konsumieren: In der Stadt Luzern wird immer mehr Crack geraucht als Heroin gespritzt. (Symbolbild)
© KEYSTONE/DPA/Boris Roessler
In einigen Kantonen werden immer häufiger Drogen an öffentlichen Plätzen konsumiert. Auch in der Stadt Luzern hat der öffentliche Konsum zugenommen, wie Szenekennende berichten. Ausserdem hat die Nachfrage nach fachlicher Hilfe zugenommen.

Die zunehmende offene Drogenszene in der Schweiz hat in den vergangenen Monaten für viel Gesprächsstoff gesorgt: Der Stadtgarten in Chur, die Bäckeranlage in Zürich, der Matthäusplatz im Kleinbasel, der Place de la Riponne in Lausanne und im «Quai 9» beim Genfer Bahnhof. Auch in Luzern gibt es eine offene Drogenszene. Im Gegensatz zu vielen anderen Orten in der Schweiz zentriert sich diese allerdings nicht auf einen Platz, sondern verteilt sich.

Dass sich die Situation der allgemeinen Drogenszene in Luzern verschlechtert, sei allerdings nicht der Fall. Der Verein Kirchliche Gassenarbeit Luzern VKG bietet professionelle Hilfe für Armuts- und Suchtbetroffene an und beobachtet die Szene seit Jahren. «Aus unserer Sicht bleibt die Lage stabil», so Franziska Reist, Geschäftsführerin des VKG. Die Anzahl der konsumierenden Personen hingegen bleibe gleich. Aber: Der Konsum in der Öffentlichkeit habe «leicht» zugenommen, so der VKG. Leider gibt es keine Statistik, welche diese Tendenz belegen kann.

Es wird immer mehr geraucht als gespritzt

In Luzern sei dieses Problem nicht so «neu» wie beispielsweise in Lausanne oder in Genf, erklärt Reist. Was sich hingegen verändert habe, sei die Konsumform der Drogen. Aus der Wahrnehmung der Konsumationsräume der VGK würden 80 Prozent der Betroffenen die Droge inhalieren und die restlichen 20 Prozent sich intravenös verabreichen.

Das Rauchen von Heroin und Kokain war in der Vergangenheit bei den Süchtigen zwar schon beliebter als sich zu spritzen, die Verlagerung zum Rauchen nimmt allerdings immer mehr zu. Als Grund sieht die VGK vor allem die praktischen Aspekte: «Wir stellen fest, dass die Cracksteine oft schon als Fertigprodukt verkauft werden. Diese können rasch und unauffällig auf einer Crackpfeife geraucht werden.»

Die fünf bekanntesten Plätze für öffentlichen Drogenkonsum

Aufgrund der Polizeipräsenz komme es allerdings immer wieder zu Verschiebungen der Orte. So haben sich die Suchtbetroffenen von der Schützenstrasse beim Kasernenplatz beispielsweise an die Reuss verschoben.

Gerade durch die Zunahme des Crackkonsums, welcher unauffällig und rascher geschieht, und der Kauf auch mehr im öffentlichen Raum stattfindet, wird auch das Angebot bezüglich den Konsumationsräumen der Kirchlichen Gassenarbeit nicht mehr von allen Betroffenen genutzt, stellt Franziska Reist fest. Deswegen überlege man sich, wie man die Räume umgestaltet, damit sie wieder attraktiver für die Betroffenen werden und diese zurück in die Konsumationsräume kommen.

Tag und Nacht beschäftigt zu konsumieren

Anders sieht es die Sicherheit Intervention Prävention der Stadt Luzern SIP: Die offene Drogenszene hätte sich in Luzern nicht vergrössert. Dafür stellt die SIP, wie der Verein Kirchliche Gassenarbeit auch, eine Zunahme beim inhalativen Konsum fest. «Auffällig ist der Konsum von Freebase. Dieser scheint ‹salonfähiger› geworden zu sein in den letzten Jahren», erklärt Arjen Faber, Bereichsleiter der SIP. Die Wirkung von Freebase hält, wie Crack auch, nur kurz an. Im Gegensatz zu Heroin wird es fast im Minutentakt konsumiert. Die Nebenwirkungen davon sind alles andere als angenehm.

«Freebase führt dazu, dass die Drogenszene ruhelos und hektisch wird, da öfter Stoff gekauft und sofort konsumiert werden muss», so Faber. Es kommt zu einem Teufelskreis: Manche Leute seien über Tage und Nächte damit beschäftigt zu konsumieren, zu beschaffen, zu kaufen und wieder zu konsumieren. «Sie sind in solchen Phasen schlecht ansprechbar und eher nicht fähig für einen Dialog.»

Durch die Zunahme des Crackkonsums, welcher unauffällig und rascher geschieht, wird auch das Angebot bezüglich den Konsumationsräumen der Kirchlichen Gassenarbeit nicht mehr von allen Betroffenen genutzt.

© Luzerner Zeitung / Remo Nägeli

Nachfrage fachlicher Hilfe nimmt innert vier Jahren über ein Drittel zu

Gleichzeitig habe auch das Aufsuchen von professioneller Hilfe stark zugenommen. Dies stellt die Luzerner Psychiatrie AG Lups bei ihrer ambulanten Behandlungsstelle für opioid- oder mehrfachabhängige Menschen «Drop-in» fest. «Die Anzahl Behandlungen ist seit Oktober 2019 kontinuierlich und bis heute um rund 37 Prozent angestiegen», erklärt Co-Stellenleiterin von «Drop-in», Carla Denoth.

Die Behandlungs- und Fachstelle des Lups führe derzeit konstant 240-245 Opioid-Agonisten-Behandlungen durch, also den Einsatz von Medikamenten mit opioider Wirkung wie Methadon. Dass die Behandlungsanzahl in den letzten Jahren gestiegen ist, habe verschiedene Gründe. Beispielsweise niederschwellige Aufnahmen in die Opioid-Agonisten-Therapie während der Coronapandemie, oder auch eine umfassende Behandlung, die auf die Bedürfnisse eines jeden Individuums bestmöglich abgestimmt sei.

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Quelle: PilatusToday
veröffentlicht: 11. Oktober 2023 19:08
aktualisiert: 12. Oktober 2023 09:12