Kapellbrücke-Brand

«Ich habe geweint» – Reporter Josef Ritler war hautnah dabei

Sven Brun, 18. August 2023, 12:54 Uhr
Josef Ritler mit seinem Foto von der brennenden Kapellbrücke.
© PilatusToday
Er war vor Ort, als es in der Stadt Luzern lichterloh brannte. Vor exakt 30 Jahren stand Josef Ritler, Reporter-Legende, vor der in Flammen stehenden Kapellbrücke. Im Gespräch erinnert er sich an diesen denkwürdigen Tag zurück.

Josef Ritler hat vieles gesehen und erlebt. 1964 hat er Sean Connery während den James-Bond-Dreharbeiten in der Schweiz fotografiert, 1972 Charlie Chaplin getroffen oder 1984 ist ihm im Gedränge der Papst auf die Füsse getreten. Ein anderes Ereignis bleibt Josef Ritler (84), einer Schweizer Reporter-Legende und auch bekannt als «Blick-Seppi», ebenfalls intensiv in Erinnerung.

«Du spinnst doch, das kann gar nicht sein»

In der Nacht vom 17. auf den 18. August 1993 wurde er von einem Taxi-Chauffeur angerufen, der gesagt hatte: «Hey Sepp komm, die Kapellbrücke brennt.» Ritler habe ihm zuerst ungläubig entgegnet: «Du spinnst doch, das kann gar nicht sein.» Der Reporter sei dann jedoch sofort an die Reuss: «Ich sehe den Moment immer noch vor mir, als ich vor der brennenden Brücke gestanden bin.»

Fassungslosigkeit machte sich in ihm breit. «Ich setzte mich aufs Trottoir und fing an zu weinen.» Damit war Ritler nicht alleine: «Ein Politiker aus der Stadt kam zu mir. Auch er hatte Tränen in den Augen.» Nach einiger Zeit sei er dann aufgestanden. «Ich fing an zu funktionieren, fotografierte und befragte Persönlichkeiten.» Beispielsweise Kurt Illi, der damalige Verkehrsdirektor der Stadt Luzern.

Das berühmte Bild der brennenden Kapellbrücke 1993 von Josef Ritler.

© Josef Ritler, 1993

Am Morgen habe er dann Kontakt mit der Blick-Redaktion in Zürich aufgenommen. Gewünscht wurden nicht nur Bilder der Ruine und von Politikern, sondern auch eines von ihm. «Es war der Wunsch des Chefredaktors, dass ich betrübt auf der Brandruine stehe.»

Gegen den Mittag fuhr Ritler nach Zürich. «Um die Filme zu entwickeln», ergänzt er. Sein Bild der brennenden Brücke ging um die Welt. «Als ich ankam, hat die Brücke gelodert. Ich habe auch erst im Nachhinein realisiert, welche unheimliche Macht das Feuer hatte.»

Josef Ritler betrübt auf der Brandruine.

© Josef Ritler, 1993

Josef Ritler wird noch immer regelmässig auf diesen Tag angesprochen. «Vor allem von Menschen, die auch dabei waren und sich erinnern», erklärt er. Auch die Nachfrage nach seinem Bild ist ungebrochen. Beispielsweise für Bücher und Ausstellungen wird er häufig kontaktiert.

Heutzutage werde viel übertrieben

Die heutigen Zeiten könne man nicht vergleichen mit früher, meint Ritler. «Aber es hat immer wieder Katastrophen gegeben. Der Unterschied ist, das heutzutage viel übertrieben wird.» Man könne jederzeit und überall alles verfolgen. Die Menschen würden noch nicht mit dieser Geschwindigkeit umgehen können.

«Es ist wie ein Pendel. Mal scheint die Sonne, mal regnet es. Das ist völlig normal. Wir haben halt früher noch erlebt, dass man nicht alles wusste und sich nicht mit jeder Geschichte abgeben musste. Heute meint jeder, er sei Fachmann», fügt Ritler mit einem Schmunzeln hinzu.

Tägliche Spaziergang-Fotos

Er geniesse es, mit einer gewissen Distanz die Geschehnisse der Welt betrachten zu können. Fotografieren und berichten gehört aber weiterhin zu Ritlers Leben. Zum Beispiel, wenn der 84-Jährige täglich seinen rund vier Kilometer langen Spaziergang durch die Stadt Luzern macht. «Dann fotografiere ich jeden Tag ein Morgen-Bild und poste es auf Facebook.» Und an einem gewissen Ort erinnere er sich dann ganz besonders an eine Geschichte. «Dann nämlich, wenn ich über die Kapellbrücke laufe.»

Quelle: PilatusToday
veröffentlicht: 18. August 2023 12:47
aktualisiert: 18. August 2023 12:54