Vor 25 Jahren

«Der schwärzeste Tag»: Tragische Erinnerungen an den Jahrhundertwinter 1999

Nicole Huber, 6. Februar 2024, 12:13 Uhr

Quelle: Tele 1 / Nadine Purtschert

Der Winter 1999 ist in die Geschichte eingegangen. Nie zuvor gab es derart viel Schnee in der Schweiz. Als Folge wurde in Silenen eine Person verschüttet und im Hoch-Ybrig stürzte ein Helikopter mit vier Insassen ab. Traurige Geschichten zum Lawinenwinter.

«Der Winter 1999 in Silenen, Amsteg und Bristen war speziell. Man könnte von einem Jahrhundertwinter sprechen, weil es den gesamten Februar schneite», beginnt Josef Zurfluh seine Erzählung. Er ist ehemaliger Gemeindeschreiber von Silenen und hat den Winter '99 immer noch sehr präsent in Erinnerung. «Die Schneemengen wuchsen besonders in Bristen unter dem Windgällengebiet extrem, bis zu vier oder fünf Meter hoch.» Es musste gehandelt werden. Dies tat Zurfluh auch und trag massgeblich dazu bei, den Gemeindeführungsstab einzuführen. «Wir waren Tag und Nacht auf Pikett, wir arbeiteten sehr viel.»

Umzingelt von Schnee

Mitte Februar spitzte sich die Situation zu. Immer mehr Schnee fiel und es war kein Ende in Sicht. Zurfluh und seine Kollegen des Gemeindeführungsstabes entschieden, die Bevölkerung zu evakuieren. Dies, obwohl es in der besagten Situation noch nicht Pflicht gewesen sei. «Gott sei Dank haben wir das gemacht. Sonst hätte es noch viel tragischer enden können», erzählt der mittlerweile Pensionierte.

Beim Jahrhundertwinter im Jahr 1999 fiel schweizweit bis zu fünf Meter Schnee.

© Tele 1

Die Evakuierung verlief grundsätzlich ohne Probleme, mit einer Ausnahme. Eine Person wohnte im Gebiet Golzern, oberhalb von Bristen. «Am 22. Februar 1999 hatten wir das letzte Mal Kontakt zu ihm. Wir baten ihn darum, das Gebiet zu verlassen. Das war aber nicht mehr möglich, weil bereits zu viel Schnee lag», blickt Zurfluh zurück. Die Erinnerung nimmt den ehemaligen Gemeindeschreiber sichtlich mit. «Die Rettungskolonne versuchte, den Mann zu retten. Jedoch mussten sie dies abbrechen, weil die Lawinengefahr zu gross war.»

Lawine erschütterte Wohnhaus

«Am Morgen des 23. Februars um 7.15 Uhr – ich kann mich noch gut erinnern – kamen zwei grosse Lawinen ins Tal geschossen. Die Schneemassen waren enorm, gewaltig.» Zurfluh hält inne. Das Erinnern schmerzt ihn bis heute. «Da kam eine Staubwolke voran, gefolgt von den Schneemassen. Die Schneemassen prallten ins Tal bis auf Bristen und rissen das Wohnhaus der Person mit.»

Rettungsleute in den Trümmern des zerstörten Wohnhauses in Golzern.

© Eidgenössisches Institut für Schnee und Lawinenforschung, 2000 / Kantonspolizei Uri

Helikopter-Absturz im Hoch-Ybrig

Der Jahrhundertwinter – oder auch Lawinenwinter – hinterliess in der gesamten Schweiz Narben, so auch im Kanton Schwyz. Besonders, weil am 29. Januar 1999 ein Helikopter im Gebiet Hoch-Ybrig abstürzte. Dabei kamen der Pilot so wie drei Mitarbeiter des Skigebietes ums Leben. Wendelin Keller erinnert sich: «Am Abend des 29. Januars 1999 begaben sich die vier Personen auf den Helikopterflug. Sie wollten Lawinen sprengen.» Keller war damals Geschäftsführer der Hoch-Ybrig AG. Heute ist der 67-Jährige Verwaltungsratspräsident der Hoch-Ybrig AG.

«Ich war zu diesem Zeitpunkt im Nachbardorf. Am Abend erhielt ich ein Telefon, dass der Helikopter gesucht werde. Wir hofften natürlich, dass sich der Pilot nur ein wenig verflogen hatte.» Dennoch handelten die Verantwortlichen sofort. «Wir boten einen Helikopter und Suchmannschaften auf.» Ab diesem Moment galt es, warten und hoffen. Dann kam die traurige Gewissheit. «Um 23 Uhr konnte der Helikopter geortet werden.» Die Insassen wurden tot aufgefunden. Was genau geschah, ist bis heute ungewiss. «Die Sicht war eigentlich gut. Es war hell, dann begann es leicht zu schneien. Der Pilot muss irgendwie die Orientierung verloren haben. Mehr wissen wir nicht», erzählt Wendelin Keller.

Im Hoch-Ybrig ist 1999 ein Helikopter abgestürzt. Bis heute kennt man den Grund nicht.

© Neue Schwyzer Zeitung

25 Jahren sind seither vergangen, doch erträglicher wird die Erinnerung daran deshalb nicht. «Das war der schwärzeste Tag, den vergisst man nie», fügt Keller an. Jede Familie kannte mindestens eines der Todesopfer, «es war eine tiefe Trauer im gesamten Ybrig».

Betrieb ging trotzdem weiter

Trotz des tragischen Unfalls mussten Keller und sein Team das Skigebiet auf Vordermann halten. «Wir erhielten Unterstützung vom Skigebiet Stoos, dem Mythengebiet und vielen mehr. Nur deshalb konnten wir den Betrieb weiter aufrechterhalten», erklärt der zweifache Vater. Der viele Schnee kam dem Skigebiet sogar zugute. Normalerweise verzeichnet das Skigebiet Hoch-Ybrig 1,50 bis zwei Meter Schnee. «Im Winter 1999 zeigte die Schneemesslatte 3,90 Meter an. Es wäre ein guter Winter gewesen», erinnert sich Keller.

«Es hatte viel Tiefschnee, das freute die Skifahrer. Aber der tragische Unfall stellte natürlich alles in den Schatten.» Der viele Schnee, der kalte Winter, die Strassenräumungsarbeiten – all das wurde komplett unbedeutend. «Der Unfall war so tragisch, dass alles andere unwichtig wurde.»

Quelle: PilatusToday
veröffentlicht: 6. Februar 2024 12:13
aktualisiert: 6. Februar 2024 12:13