Zentralschweiz

Die Tücken der einstigen «Wunderfaser»: Zahl der Asbesttoten steigt

170 Todesopfer in einem Jahr

Die Tücken der einstigen «Wunderfaser»: Zahl der Asbesttoten steigt

Julian Eicher, 27. Mai 2024, 06:05 Uhr
Ein Arbeiter entfernt Asbest in einem Haus in Luzern.
© Luzerner Zeitung / Corinne Glanzmann
Die Anzahl der Todesfälle wegen Asbest ist in der Schweiz so hoch wie noch nie. Dies, obwohl Asbest seit 1990 hierzulande verboten ist. Wir haben bei Zentralschweizer Institutionen und der SUVA nachgefragt, wie man dieser Bilanz entgegenwirken kann.

Rund drei Viertel der Gebäude in der Schweiz wurden vor 1990 gebaut. Gebaut wurden diese unter anderem mit der sogenannten «Wunderfaser» Asbest. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Faser schädlich ist und beim Einatmen in die Lunge Brust- oder Bauchfellkrebs verursachen kann – deshalb wurde Asbest damals verboten. Heute trifft man Asbest hauptsächlich bei Umbauten solcher älterer Häuser an. Vonseiten der Baubranche ist man bestrebt, vorsichtig mit dem tückischen Klebematerial umzugehen, der Suva genügt dies nicht: Sie sieht nach wie vor noch viel Handlungsbedarf.

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Steigende Todesopfer

«In den letzten Jahren verzeichnete die Suva in der Schweiz jährlich mehr als 150 Todesfälle aufgrund von Asbest. 2021 waren es 170 Todesfälle», schreibt Adrian Vonlanthen, Mediensprecher der Suva, auf Anfrage von PilatusToday. Doch Vonlanthen betont, dass Asbest eine lange Latenzzeit habe: «Das heisst, zwischen der Exposition und dem Ausbruch einer Krankheit können mehrere Jahrzehnte vergehen.» Die Zahlen würden allerdings auch heute noch nicht sinken.

Die einstige «Wunderfaser» sei für die Suva seit Jahren ein wichtiges Schwerpunktthema in der Prävention. Deshalb fokussiere man sich auch bei den Baustellenkontrollen jeweils darauf. «Wir stellen fest, dass viele involvierte Personen die Gefahren unterschätzen», so Vonlanthen weiter. Da seit 1990 ein Verbot herrscht, müsste die Zahl der Todesopfer sinken – das Gegenteil ist jedoch der Fall. «Die statistische Analyse zeigt, dass Personen auch nach dem Asbestverbot mit dem Material in Kontakt gekommen sind.»

Unternimmt die Baubranche zu wenig?

Inwiefern ist man sich in der Branche selbst der Gefahr bewusst. Wir haben nachgefragt. «Bevor irgendjemand einen Hammer in die Wand schlägt, wird im Vorhinein eine Schadstoffsanierung durchgeführt», erklärt Roland Steiner von der Marti Zentralschweiz AG gegenüber PilatusToday. Eine solche Sanierung käme zum Zuge, wenn man in den vorgängigen Schadstoffproben Asbest feststelle.

Der Abteilungsleiter Umbau und Hochbau beschreibt eine solche Sanierung wie folgt: «Der betroffene Ort wird abgeschottet, es wird im Unterdruckverfahren das Material abtransportiert und dann in einem verschlossenen Sack abgeführt.» Die Arbeiter haben zudem Schutzanzüge an und werden durch Schleusen geschickt – danach gäbe es eine gründliche Reinigung und die Schutzanzüge werden entsorgt.

Ein Arbeiter mit Mundschutz und Schutzkleidung bereitet eine Abfallkiste voll asbestverseuchtem Material auf ihren Abtransport vor.

© KEYSTONE/EDDY RISCH

Sensibilisierung fester Bestandteil in der Ausbildung

Auch die angehenden Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter werden schon früh mit dieser Thematik konfrontiert. «Das Thema Asbest ist ein fester Bestanteil im Kapitel Umweltschutz und Ökologie und wird in diesem Rahmen ausführlich thematisiert», erklärt Berufsschullehrer Micha Macchi vom Berufsbildungszentrum Bau und Gewerbe Luzern. Es sei etwas, wo an allen drei Lernorten (Schule, überbetrieblicher Kurs und Betrieb) angeschaut werde.

Wer in der Schweiz die Lehre als Maurer absolviert, wird in der Berufsschule über das Thema Asbest aufgeklärt.

© KEYSTONE/MARTIN RUETSCHI

«Unsere Lernenden werden seit Jahren stark auf dieses Thema sensibilisiert», bestätigt der Berufsschullehrer. Gerade bei Schülerinnen und Schüler, welche in Firmen arbeiten würden, die Umbauten anbieten, ist der Kenntnisstand über Asbest sehr hoch. Alles in allem ist sich Macchi sicher: «Die Bauunternehmen handeln in dieser Thematik sehr vorbildlich.» Bleibt zu hoffen, dass sich dies in den kommenden Jahren auch auf die Statistik auswirkt.

Quelle: PilatusToday
veröffentlicht: 27. Mai 2024 06:05
aktualisiert: 27. Mai 2024 06:05