Kanton Luzern

Flüchtlinge in der Zivilschutzanlage: «Müssen uns alle Optionen offenhalten»

Martina Odermatt, 23. März 2022, 13:29 Uhr
Ukrainer und Ukrainerinnen verlassen ihre Heimat und suchen Schutz im nahen Ausland.
© KEYSTONE/AP/Visar Kryeziu
Der Kanton Luzern muss aktuell für 2400 Flüchtende aus der Ukraine ein Dach über dem Kopf organisieren. Die Flüchtenden kommen in engen Abständen in der Schweiz an, was den Kanton vor Herausforderungen stellt. Deshalb setzt er auch auf unterirdische Notunterkünfte. Das sei allerdings die letzte Option, sagt der Kanton.

24 Stunden dauert eine Autofahrt von Kiew nach Luzern laut Google Maps. Wer den Zug nimmt, ist etwas mehr als einen Tag unterwegs. Auch wenn das in Zeiten vom Krieg sicher länger dauert als vom Internet-Dienst berechnet, sind die Ukrainerinnen und Ukrainer schneller in der Schweiz, als es etwa Syrerinnen oder Afghanen waren. Und genau diese engen Intervalle, mit denen die Flüchtenden in der Schweiz ankommen, stellt den Kanton Luzern vor Herausforderungen.

Denn diese Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf. «Auch wenn wir Wohnung haben für die Flüchtenden, müssen diese zuerst möbliert werden, damit man da überhaupt drin wohnen kann. Logistisch ist das eine sehr grosse Herausforderung im Moment», sagt Silvia Bolliger, Leiterin der Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen, auf Anfrage von PilatusToday und Tele1.

«Haben keine Übersicht»

Viele der Flüchtenden suchen auch direkt Unterschlupf bei Verwandten und Bekannten in Luzern. Dann registrieren sich die Geflüchteten von dieser Adresse aus beim Staatssekretariat für Migration. «Allerdings haben wir keine Übersicht, wie viele das sind, weil wir die Daten vom Staatssekretariat für Migration noch nicht erhalten haben.» Man habe keine Adressen und wisse nicht, wie viele privat untergebracht worden seien. «Im Moment läuft es an vielen Orten noch etwas ungeordnet», so Bolliger. Die Dienststellenleiterin schätzt, dass 100 bis 150 Personen bereits bei Privaten ein vorübergehendes Zuhause gefunden haben.

Quelle: PilatusToday/Andreas Wolf

Doch nicht alle Flüchtenden, die in Luzern ankommen, können direkt auf ein Umfeld zurückgreifen. Für manche Ukrainerinnen und Ukrainer endet die Flucht vom Bunker auch in der Schweiz in einem Bunker. Wie der Kanton Luzern am Dienstag in einer Mitteilung schrieb, bereitet er die Zivilschutzanlage Utenberg als Notunterbringung vor. Um die Erstunterbringung von ankommenden Personen sicherzustellen, wurde am 19. März bereits die Zivilschutzanlage Rönnimoos mit 140 Plätze eröffnet. Bisher wurden 10 Personen dort untergebracht.

«Ich habe gehofft, dass wir nie mehr in die Situation geraten, unterirdische Unterkünfte für die Unterbringung von Geflüchteten nutzen zu müssen. Ich kann und will es aber nicht verantworten, dass im Kanton Luzern Schutzbedürftige ohne Dach über dem Kopf sein müssen», erklärt Guido Graf, Vorsteher des Gesundheits- und Sozialdepartementes in der Mitteilung. Man gehe angesichts der aktuellen Lage davon aus, dass noch weitere Zivilschutzanlagen im Kanton Luzern in Betrieb genommen werden müssten für die kurzzeitige Notunterbringung.

Zivilschutzanlage ist die letzte Option

Wie lange die Flüchtenden in den unterirdischen Anlagen ausharren müssen, könne man nicht sagen. «Vorgesehen sind ein paar Tage bis ein paar Wochen. Aber aufgrund der Dynamik können wir nicht sagen, ob die Wochen auch wirklich eingehalten werden können oder ob es auch mal ein Monat sein kann», sagt Silvia Bolliger. Mit Stand vom 22. März 2022 wurden dem Kanton Luzern vom Bund rund 230 Schutzbedürftige zugewiesen. Sollten sich die Zuweisungen im selben Umfang wie bisher fortsetzen oder erhöhen, sind dringend weitere Plätze nötig, schreibt der Kanton Luzern. Am Dienstag wurden dem Kanton zum Beispiel 50 Personen zur Unterbringung zugewiesen. «Wir wollen die Menschen nicht über längere Zeit in einer Zivilschutzanlage unterbringen. Aber im Moment müssen wir uns alle Optionen offenhalten, weil wir nicht nachkommen mit den Plätzen», sagt Bolliger.

Wer tatsächlich in so einer Zivilschutzanlage unterkommt, ist tagesabhängig. «Es kommt drauf an, wie viele Plätze wir gerade bereitstellen können. Die Zivilschutzanlage ist immer die letzte Option, wo wir Personen platzieren.» Wenn möglich, versuche man die Personen oberirdisch zu platzieren.

Unterbringung bei Privaten hat zweite Priorität

In einer zweiten Priorität will der Kanton Luzern die Privatunterbringung bei Freiwilligen angehen. «Wir möchten die Leute aus den Zivilschutzanlagen holen und ihnen eine bessere Zukunft bieten.» Das Problem: Das braucht Zeit. «Wir möchten, dass sich die Flüchtenden und die Freiwilligen kennenlernen können, denn das soll ja nicht nur eine Unterkunft für ein, zwei Wochen sein. Eine Privatunterbringung ist im Idealfall auch für etwa zwei bis drei Monate garantiert.» Hier habe man bereits um die 100 Kontakte, die Flüchtende bei sich aufnehmen möchten.

Quelle: PilatusToday
veröffentlicht: 23. März 2022 12:03
aktualisiert: 23. März 2022 13:29