Missbrauchsskandal

Nach Adligenswil verweigert jetzt auch Pastoralraum Willisau die Kirchensteuer

27. September 2023, 21:55 Uhr
Der Adligenswiler Kirchenrat hat Forderungen an das Bistum Basel.
© Luzerner Zeitung / Boris Bürgisser
Die Basis muss handeln, finden Katholikinnen und Katholiken in Adligenswil und in Willisau: Der dortige Kirchenrat hat entschieden, das Bistum Basel nicht mehr mit Kirchensteuern zu beliefern – so lange, bis vier Forderungen erfüllt sind.

Der Anteil der Kirchensteuer, welche normalerweise das Bistum Basel erhält, wird per sofort auf ein Sperrkonto einbezahlt. Dies hat der Kirchenrat der katholischen Kirchgemeinde Adligenswil beschlossen, wie die «Luzerner Zeitung» berichtet. Und: Er ruft alle Kirchgemeinden des Bistums Basel und der weiteren fünf Bistümer auf, dasselbe zu tun. Ein erster weiter Pastoralraum im Kanton Luzern ist dem Ruf gefolgt. Der Pastoralraum Willisau und die dort vertretenen Kirchgemeinden blockieren die Zahlung ans Bistum vorübergehend ebenfalls, wie sie am Mittwochabend mitteilen. Nach der Kirchgemeinde Adligenswil, die 2700 Mitglieder hat, zieht mit dem Pastoralraum Willisau ein ungleich grösserer Brocken mit. Über 11000 Katholikinnen und Katholiken sind Teil davon.

Die Aktionen sind im Lichte des kürzlich publizierten Berichtes zu über 1000 Missbrauchsfällen zu sehen und bringen ein grosses Misstrauen gegenüber dem Aufarbeitungswillen des Klerus' zum Ausdruck: «Wenn die Basis nicht handelt, bleibt es bei Lippenbekenntnissen der Schweizer Bischofskonferenz», schreibt der Kirchenrat Adligenswil und stützt sich dabei auf die Tatsache, dass Missbräuche in der katholischen Kirche grundsätzlich schon seit Jahrzehnten bekannt seien. Er befürchtet, dass sich – obwohl jetzt Fakten auf dem Tisch seien – die Strukturen nicht ändern würden und kein Kulturwandel einsetze.

Die Aktionen sind an folgende vier Forderungen an die Adresse des Bistums Basel und der Schweizer Bischofskonferenz gekoppelt:

  1. Unabhängige Untersuchungen: Das heisst, keine «Abklärungen unter Kollegen». Die Untersuchungen müssen einer unabhängigen, nicht kirchlichen Stelle übertragen werden. Bis jetzt ist der Bischof von Chur, Joseph Bonnemain, mit den Voruntersuchungen betraut.
  2. Unabhängige Meldestelle: Es soll eine unabhängige, professionelle Ombudsstelle ausserhalb von kirchlichen Strukturen eingerichtet werden, bei welcher sich Opfer ohne Folgen für die Betroffenen melden können und die Meldungen professionell erfasst und überprüft werden.
  3. Keine Aktenvernichtung: Sämtliche Dokumente sollen von einer unabhängigen Stelle aufbewahrt werden, zum Beispiel im Staatsarchiv.
  4. Einsicht in Archive: Die Archive des Nuntius Martin Krebs müssen geöffnet werden.

Der Kirchenrat Adligenswil ruft ausserdem alle Kirchgemeinden in der Schweiz auf, seinem Beispiel zu folgen – und rechnet vor, dass dem Bistum Basel 3,8 Millionen Franken entzogen werden könnten, würden die Landeskirchen aller zehn Bistumskantone mitmachen. «Der Bischof könnte dadurch seine Aufgaben nicht mehr wahrnehmen.» Im Kanton Luzern liefert die Landeskirche gemäss Medienmitteilung ein Prozent der Einnahmen aus den Kirchensteuern an das Bistum Basel ab.

Kirchenratspräsidentin: «Wir meinen es ernst»

Kirchenratspräsidentin Monika Koller Schinca: «Was wir in den letzten Tagen über unsere Kirche zu hören bekamen, ist beschämend und bedrückend. Wir sind betroffen und fühlen solidarisch mit allen Betroffenen. Nun gilt schonungslose Aufklärung und konsequentes Durchgreifen. Wir meinen es ernst.»

Weiter erwartet der Kirchenrat Adligenswil von der Schweizer Bischofskonferenz, dass sie sich unmissverständlich und dezidiert für die Abschaffung des Pflichtzölibats und für die Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche einsetzt.

Schliesslich zeigt der Kirchenrat Adligenswil, der rund 2700 Katholikinnen und Katholiken vertritt, Verständnis für jeden Kirchenaustritt. Wichtiger ist aus seiner Sicht aber ein «Zeichen setzender Aufbruch, ein Aufstand der Basis. Denn es muss aufgepasst werden, dass durch Austritte nicht finanzielle Mittel fehlen und die Falschen darunter leiden – wie zum Beispiel die Jugend, Familien, ältere Menschen und Vereine.»

Quelle: PilatusToday
veröffentlicht: 21. September 2023 12:49
aktualisiert: 27. September 2023 21:55